Open Government und Krisen-Resilienz – Verhältnis zwischen Verwaltung und Bürger*innen gestalten

4. Mai 2020

Verwaltungen stellen staatliche Dienstleistungen und Informationen für Bürger*innen bereit. Sie regeln viele Dinge unseres täglichen Lebens und haben dadurch auch Einblick in unseren Alltag. Sie wissen viel darüber wo und wie wir leben. Bürger*innen wiederum benötigen die staatlichen Dienste, die öffentliches Lebens strukturieren, finanzielle Hilfe leisten oder Kulturangebote unterstützen. Als Bürger*innen gehen wir meist zu Verwaltungsgebäuden, um diese Dienste zu beantragen oder in Anspruch zu nehmen. Wir geben der Verwaltung vor Ort unsere Daten und können im Gegenzug staatliche Angebote nutzen. Dabei müssen wir darauf vertrauen, dass diese Daten in unserem Sinne geschützt bzw. weitergenutzt werden.

Die gegenwärtige Krise schränkt dieses Verfahren enorm ein und verdeutlicht den ohnehin großen Bedarf an digitalen Verwaltungsdienstleistungen und digitalen Austausch von Informationen und Angeboten. Der (physische) Zugang zu Verwaltungen ist enorm eingeschränkt und damit auch die Leistungen für Bürger*innen. Dementsprechend beobachtet Code for Germany, dass in der gegenwärtigen Krise die Verwaltungen am handlungsfähigsten sind, die eine sehr gute IT-Infrastruktur und entsprechend geschultes IT-Personal haben.

Diese Strukturen an sich reichen aber nicht aus. Für größtmögliche Wirksamkeit müssen sie auch offen sein. Denn wie eingangs beschrieben sind Verwaltungen mit einer enormen Wissensfülle ausgestattet. In einer Demokratie müssen die Bürger*innen deshalb die Verwaltungsstrukturen zur Bereitstellung von Dienstleistungen prüfen können. Bürger*innen sollten die Möglichkeit haben, die Sammlung und den Gebrauch öffentlicher Daten nachvollziehen und ihre Daten selbst wieder nutzen zu können. Dafür steht Open Government, ein Konzept mit großen Vorteilen für die Arbeit von Verwaltungen. Wir verstehen unter Open Government, dass Verwaltungen und Regierungen transparent, kooperativ und partizipativ arbeiten. Verwaltungen werden auch für die Zivilgesellschaft geöffnet, um gemeinsam bessere Entscheidungen für die Allgemeinheit zu treffen. Die drei Kriterien Transparenz, Kooperation und Partizipation verdeutlichen, dass Open Government ein demokratisches Werkzeug ist. Damit erstreckt sich seine Bedeutung auch weit über die Krise hinaus und steht für einen Wandel in Verwaltungshandeln.

In einem Handbuch hat Code for Germany aufgezeigt, welche spezifischen Anforderungen an die Digitalisierung von Verwaltungshandeln sich daraus ergeben. Wir stellen drei zentrale Erkenntnisse aus der gegenwärtigen Krise vor, die weisungsgebend für die Zukunft sind. In diesen kennzeichnet Offenheit das Verhältnis zwischen Bürger*innen und Verwaltungen:

  1. Open Data bereitstellen und Datensouveränität sichern

Open Data ist Voraussetzung für Open Government. Allerdings zeigt die Krise, dass in vielen Bereichen Open Data fehlt, obwohl die entsprechenden öffentlichen Daten ohnehin erhoben werden und Verwaltungen vorliegen. Öffentlich finanzierte Daten sind von zivilgesellschaftlichen Akteuren, die einen Beitrag zur Krisenbewältigung leisten, nur schwer auffindbar und schlecht automatisch verarbeitbar. Oft haben sie Nutzungsrechte, die eine Weiterverarbeitung erschweren. Öffentliche Stellen müssen Souveränität über ihre eigenen Daten haben und sie proaktiv auf Open-Data-Portalen veröffentlichen, damit Innovation nicht gehemmt wird und gemeinsam zentrale Verwaltungsdienstleistungen gesichert werden können. Offene CC-Lizenzen beseitigen rechtliche Unklarheiten von Anfang an und erhöhen den Spielraum in der Zusammenarbeit mit Akteuren inner- und außerhalb der Behörden.

Durch die konsequente Bereitstellung von Open Data bekommen Bürger*innen einerseits Kontrolle über die Daten, die sie selbst herstellen. Andererseits erhalten sie damit auch die Grundlage für Verwaltungsentscheidungen vorgelegt und können diese besser einschätzen, konstruktiv kommentieren und mittragen.

  1. Öffentliche Gelder für Freie und Offene Software verwenden

Die verwendete proprietäre Software in Verwaltungen wurde meist für einen bestimmten Zweck entwickelt und eigene (krisenbedingte) Anpassungen sind den Verwaltungen lizenzrechtlich nicht erlaubt. Daraus entsteht der Lock-In-Effekt. Verwaltungen sind an bestimmte Unternehmen gebunden, die Kosten und Arbeitszeit vorgeben. Die Förderung und der Einsatz von Freier und Offener Software (Open Source) hingegen ermöglichen einen zeitgemäßen Umgang mit Daten und machen Verwaltungen unabhängiger.

Die Software kann von Mitarbeitenden in den Verwaltungen an Krisensituationen angepasst oder verfügbare Entwickler*innen beauftragt werden – dezentral und agil. Die Software kann auch in verwaltungsexternen Zusammenhängen weiterentwickelt werden, z. B. von Bürger*innen, die ein Problem erleben und den Verwaltungen eine Lösung vorschlagen möchten.

  1. Transparenz und Partizipation durch Offene Standards digital ermöglichen

In Krisenzeiten gibt es einen hohen Bedarf an Informationen zur aktuellen Lage. Daten in digitalen Anwendungen sind aber oft intransparent eingesetzt und es ist unklar, wo und wie sie erhoben und ob sie bereits interpretiert oder verändert wurden. Durch Open Data sind die Primärquellen einsehbar, wodurch einem Vertrauensverlust in Verwaltungen entgegengewirkt werden kann. Das ist in Zeiten von Falschinformationen und Populismus ein beachtlicher demokratischer Wert.

Daten zu den gleichen Sachverhalten werden je nach Bundesland aber oft in verschiedenen Formaten und mit unterschiedlichen technischen Standards veröffentlicht. Vergleichbarkeit und Zusammenführung wird dadurch erschwert. Offene Standards schaffen Abhilfe, da dadurch technische Parameter vordefiniert werden, vergleichbar mit dem Standard für Steckdosen, der verhindert, dass wir in einer bestimmten Region Adapter für Geräte brauchen.

Verwaltungen, die auf Open Government setzen, sind dadurch widerstandsfähiger und belastbarer, ihre eigene Handlungsfähigkeit wird gestärkt – nicht nur in der Krise, sondern auch darüber hinaus. Ein offenes Verhältnis zwischen Bürger*innen und Verwaltungen kann durch Open Data, Freie und Offene Software und Offene Standards ermöglicht werden. Verwaltungen können von der Expertise der digitalen Zivilgesellschaft profitieren, die mit Open Data Anwendungen entwickelt, die mehr Menschen erreichen oder Verwaltungen in technischen Fragen berät und gemeinsame Projekte vorantreibt. Während dies auch Effizienzsteigerung bei den Behörden bewirkt, steht die Schaffung von Transparenz und neuen Partizipationsmöglichkeiten für Bürger*innen im Zentrum der offenen demokratischen Auseinandersetzung zwischen Staat und Bürger*innen. Damit dieses Verhältnis allerdings nicht auf Kosten der Bürger*innen geht, ist dafür eine Förderung des digitalen Ehrenamts nötig.

 

Über die Autorin

Foto: © Leonard Wolf

Claudia Jach ist Politikwissenschaftlerin und Projektmanagerin bei Code for Germany. Code for Germany, ein Projekt der Open Knowledge Foundation Deutschland, ist ein Netzwerk ehrenamtlich Aktiver, das sich für einen nachhaltigen digitalen Wandel in Politik und Verwaltung einsetzt. Die Community ist inzwischen in 26 Labs deutschlandweit organisiert. Sie entwickelt Civic-Tech-Lösungen für gesellschaftliche Probleme und steht dazu im Austausch mit Stadtverwaltungen.

 

 

Links:

Code for Germany: https://codefor.de/

Open Government: https://okfn.de/themen/offenes_regierungshandeln/

Handbuch: https://codefor.de/assets/presse/20200409-CFG-Handbuch-Krisenresilienz.pdf

Open Data: https://okfn.de/themen/open_data/

CC-Lizenzen: https://creativecommons.org/use-remix/cc-licenses/

Einsatz von Freier und Offener Software: https://fsfe.org/campaigns/publiccode/brochure

Open Knowledge Foundation Deutschland: https://okfn.de/

 

Titelbild: Photo by Finn Hackshaw on Unsplash

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