Arbeit im Wandel: Ein kommunaler Gestaltungsauftrag?!

Autor:innen: Christian Hugo Hoffmann, Barbara Lippa, Henning Lühr

Der Wandel der Arbeitswelt durch Künstliche Intelligenz (KI) ist schon seit Längerem eines der dominierenden Themen in der öffentlichen Debatte um die mit der Digitalisierung einher gehenden gesellschaftlichen Veränderungsprozesse. Diese Debatte speist sich jedoch mehr aus Ängsten und Hoffnungen, als dass sie auf empirischer Evidenz basiert, denn konkrete Anwendungsfelder von KI in der Arbeitswelt gibt es bisher nur wenige. So geht dieser Beitrag nicht vom Status quo aus, sondern darüber hinaus: Er wagt den Blick in die Zukunft und beschreibt zum einen Entwicklungen, die zu einem solchen Wandel der Arbeit führen, Tendenzen und Konsequenzen, die damit einher gehen und zum anderen den kommunalen Gestaltungsauftrag, der in Zukunft umzusetzen und heute zu denken ist. Denn die (negativen) Effekte einer sich wandelnden Arbeitswelt sind in den Kommunen als unmittelbarer Lebensraum der Menschen zuallererst spürbar. Die Gestaltung dieses Lebensraumes und die Versorgung der Menschen in der Kommune sind kommunale Daseinsvorsorge.

1. Wandel der Arbeit und der Arbeitslogik

Erwerbstätigkeiten konstituieren sich aus Prozessen, die automatisierbar sind, wenn sie gewisse Bedingungen erfüllen (einfach, repetitiv, routinierte Tätigkeiten). Ob eine Automatisierung, wie sie derzeit im Zusammenhang mit KI diskutiert wird erfolgt, hängt dabei allerdings maßgeblich von einer ökonomischen Bewertung ab. Das heißt von der Bewertung, ob sich die Investition in die Umstellung von einem manuellen hin zu einem automatisierten Prozess rechnet. Dieser Wandel ist KI-unabhängig seit längerem im vollem Gange.

Beispielsweise ersetzen Bankautomaten seit den 60er-Jahren viele Bankangestellte. Bankautomaten wiederum werden mehr und mehr durch bargeldlose Bezahlmethoden/-vorgänge (etwa Kreditkarten) verdrängt. Diese Formulierung mag vorschnell den Aufschrei provozieren, dass Arbeitsplätze im Zuge von Automatisierung und Digitalisierung beziehungsweise KI-Einsatz wegfallen werden. Dass diese unterstellte Implikation zumindest im Einzelfall jedoch unzutreffend ist, zeigt das Beispiel mit der Einführung von Geldautomaten. Anstatt eines Verschwindens des Berufsbildes der/des Bankangestellten war tatsächlich eine Zunahme und eine Aufwertung der Arbeit zu beobachten. Die Nutzung der Bankautomaten schafft Freiräume, die der Mensch auf kognitiv anspruchsvollere Aufgaben (wie etwa der Beratung) verwenden kann.

Die Lehren aus diesem Beispiel

  1. Manche Berufe mit einfachen und repetitiven Aufgaben / Vorhersagen werden durch KI übernommen.
  1. Der einfachen Ökonomik folgend, bleibt der Mensch mit einem anderen Zuschnitt und anderen Schwerpunkten im Einsatz.

Die entscheidende, zur Zukunftsgestaltung aufrufende Frage ist vielmehr, wie diese Arbeit ausreichend lukrativ, wertstiftend oder attraktiv für Menschen ausgestaltet wird. Einfache Schwarz-Weiß-Malerei “Steuern wir auf fremdgesteuerte, digitale Fließbandarbeit zu oder ermöglicht KI eine neue Humanisierung der Arbeit?”, hilft dabei nicht weiter. Vielmehr bedarf es der Verständigung auf gemeinsame Werte, die bereits bei der Entwicklung und beim Einsatz von Technologien wie KI in der Arbeitswelt handlungsleitend sein können: Mensch und Technik arbeiten gemeinsam, wobei der Mensch von der KI unterstützt wird und die Entscheidungs- und Handlungskompetenz behält. Idealerweise vollzieht sich der Wandel der Arbeit derart, dass einerseits Menschen von ungeliebten Aufgaben in konkreten Situationen befreit werden, ohne damit (lebens)sinnstiftende Arbeit (im weiteren Sinne) zu verlieren. Im Englischen sind es Aufgaben, denen mindestens eines der vier “D”s zugeordnet werden kann: dumb, dirty, dangerous, distant. Andererseits könnten fragwürdige Dichotomien wie Work-Life-Balance verschwinden. Leichtfertig verwechseln wir Freizeit mit Trägheit und Arbeit mit Kreativität. Außerdem müssen wir erkennen, dass neue Technologien wie KI häufig krude nach alter, eng ausgelegter Produktivitätslogik eingesetzt werden. Das verhindert vielleicht letztlich Innovation, weil sich das Vorgehen vor allem auf den Ersatz menschlicher Arbeitskraft für Produktionsabschnitte oder einzelne Dienstleistungsaufgaben richtet. Produktivität und Innovation sind zwar nicht unbedingt ein Gegensatzpaar, aber die erste Priorität sollte auf Innovation liegen: Wie kriege ich das, was sinnvoll und gesellschaftlich gewünscht ist, wertschöpfend hin?

Es sollte vielleicht Teil jeder Erwerbstätigkeit werden, darüber nachzudenken, was dieser Beruf eigentlich sein soll. Man kann es sich etwa in einem unternehmerischen Geist zur Aufgabe machen, sich in seinem Job immer wieder überflüssig zu machen. So erarbeiten wir uns den nächsten Job und gestalten Innovation. Dabei sollten nicht bloß Tech-Unternehmer und die Elite der digitalen Ära diese Anstrengungen unternehmen.

Zur Vermeidung gesellschaftlicher Spannungen und eines Auseinanderdriftens von Gesellschaftsschichten sollte es viel mehr eine gesellschaftliche Aufgabe werden, da wir sonst riskieren, dass die neuen wirkungsmächtigen Technologien nur oder primär einer privilegierten Klasse offenstehen, die ohnehin gut situiert, besser gebildet und vermögender ist und dann noch leichter auf Ressourcen zugreifen könnte. Mit strategischer Weitsicht über Innovation nachzudenken ist ein allgemeiner Appell – auch wenn das Nachdenken auf den ersten Blick nicht Produktivität ausmacht. Die aber bricht dann ein, wenn von einem auf den nächsten Tag überlegt werden muss, wie die Mitarbeitenden qualifiziert werden können, deren Jobs sich verändern – oder doch wegfallen, weil die Weiterentwicklung des Stellenprofils und/oder die Weiterbildung der Mitarbeitenden nicht funktioniert.

Es mag zwar richtig sein, dass schon heute viele Menschen Berufe ausüben, die alles andere als überlebensnotwendig für die Gesellschaft sind. Aber Menschen haben, wie in der Vergangenheit auch, stets neue Wege gefunden, mit anderen Menschen professionell und privat zu interagieren. Die Rationalisierung steht der Schaffung zahlreicher neuer Arbeitsplätze gegenüber. Häufig ist es dabei leichter zu erahnen, welche Berufe wir in Zukunft nicht mehr benötigen, als zu begreifen, welche neuen Berufsbilder entstehen werden. Dennoch bleibt es nach klassischer Produktivitätslogik fraglich, ob freiwerdende “Humanressourcen” (etwa in der Verwaltung oder Sachbearbeitung) die neu entstehenden Bedürfnisse am Markt (etwa im Digitalisierungsmanagement oder nach Empathie) adressieren können und wollen.

2. Der kommunale Gestaltungsauftrag: Reaktivierung der kommunalen und lokalen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik im digitalen Zeitalter!

Was kann auf kommunaler Ebene angesichts dieser zum Teil doch eher noch diffusen Zukunftsaussichten getan werden? Da der Digitale Wandel nicht ignoriert werden kann, ist neben der klaren Grundorientierung auf Teilhabe und Gestaltung beim Wandel der Arbeitswelt durch Digitalisierung und KI in Wirtschaft, Gesellschaft und öffentlichem Sektor, eine Auseinandersetzung über Instrumente und Organisationsformen des Handelns in der Kommunalpolitik und -verwaltung auf diesem Feld notwendig!

Aber wie kann das gelingen? Es reicht nicht, die sozialverträgliche Digitalisierung als Sehnsuchtsort zu beschwören. Es muss vielmehr eine Renaissance der kommunalen lokalen und regionalen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik im digitalen Zeitalter geben!

Was war der klassische Ausgangspunkt?

Auf kommunaler Ebene ist dieses arbeitsmarktorientierte Politikfeld durch vielfältige Initiativen von Gemeinden, Städten und Landkreisen mit verschiedenen Ansätzen in den letzten Jahrzehnten verfolgt worden: Öffentlich geförderte Beschäftigung für Arbeitslose, das Konzept Bürger:innenarbeit in Kommunen. Auch haben Träger der Weiterbildung (beispielsweise Volkshochschulen, Träger aus dem Bereich der Sozialpartner) auf kommunaler Ebene – überwiegend in Abstimmung mit den Förderungsinstrumenten der zentralen Institutionen – weitreichende Ansätze der Qualifizierung ortsnah etablieren können. Als lokale und/oder regionale Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik hat dieses kommunale Politikfeld eine große Bedeutung erlangt, zumal es gelungen ist, dies bürger:innenbezogen als neuen Verwaltungszweig unbürokratisch aufbauen zu können.

Neue Zeiten erfordern neue Konzepte!

Inzwischen haben wir einen neuen Ausgangspunkt: Es gibt für die Kommunalpolitik und -verwaltung die gesellschaftliche Anforderung, einen Beitrag zur Bewältigung der disruptiven, aber in verschiedenen Bereichen ungleichzeitig auftretenden Veränderungen zu leisten. Hier sind die Kommunen in der Situation, sich den veränderten Herausforderungen des Arbeitsmarkts stellen zu müssen. Außerdem müssen sie sich auf das neue Feld der kommunalen Daseinsvorsorge „Unterstützung des durch Digitalisierung und KI bedingten gesellschaftlichen Wandels“ einlassen.

Die Entwicklung neuer Konzepte muss als Ausgangspunkt auf eine Vielzahl unterschiedlicher Betroffenheiten von Menschen durch Digitalisierung und KI eingehen, sie muss aber auch die in Kommunen unterschiedlich ausgeprägte, zum Teil immer noch durch prekäre Erwerbssituationen geprägte Arbeitsmarktsituation vor Ort, miteinbeziehen. Aufbauend auf dieser Analyse werden Ansätze entwickelt, wie auf kommunaler Ebene mit Institutionen der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner, der öffentlichen und privaten Unternehmen, der Wissenschaft und der Verwaltung eine Organisation der Unterstützung und Förderung aufgebaut werden kann.

Dabei gibt es zwei mögliche Stränge: Die Vorbildfunktion als „Arbeitgeberin Kommune“  für die Veränderungsprozesse sowie den Umgang mit den sozialen Folgen einerseits und das Handeln in einer vernetzten „Kommunalen Daseinsvorsorge“ andererseits, wo neben der fachbereichsübergreifenden Kooperation in der Verwaltung hier neben institutionellen Netzwerken auch digital auf einer gemeinsamen gemeinwohlorientierten Plattform agiert werden müsste. Insbesondere Automation und KI führen in vielen Segmenten zu einer Produktivitätssteigerung, die für viele Berufsbilder zunehmend dazu führt, dass Menschen weniger arbeiten müssen. Was löst diese Form der Betroffenheit bei Menschen aus? Kann dies nicht auch unserer Kultur zu einer Weiterentwicklung verhelfen? Und das Miteinander und Füreinander-Sorge-Tragen stärken? So könnte es beispielsweise auch einen neuen Schub für ehrenamtliches Engagement in der Gesellschaft geben. Auch solche Perspektiven sollten neue Konzepte für den kommunalen Gestaltungsauftrag berücksichtigen. Ein Ehrenamt wird in der Regel als etwas sehr Sinnstiftendes erlebt. Häufig hat es dabei einen unmittelbar örtlichen Bezug. Gerade für Kommunen stellt sich also die Frage, wie ein Wandel der Arbeitswelt und der Arbeitslogik das ehrenamtliche Engagement in der örtlichen Gemeinschaft positiv beeinflussen und stärken kann.

Wie können Kommunen nun auf die neu entstehenden Problemlagen reagieren?

Denkbar sind folgende Ansätze:

  • Attraktive Standorte für die “Arbeitgeber der Zukunft”.
  • Krisenintervention bei anstehenden Umstrukturierungen in Betrieben/Unternehmen.
  • Rahmenbedingungen für Veränderungen durch Informations-, Beratungs- und Partizipationsangebote.
  • Um die Produktivitätslogik beim Einsatz von KI in der Arbeitswelt zu durchbrechen, muss die Zivilgesellschaft und auch jede:r einzelne Bürger:in sich in die Gestaltungs-/Entscheidungsprozesse einbringen können.
  • Vernetzung von KI-Entwickler:innen, Nutzer:innen und Unternehmen im Sinne von Open Innovation und Co-Creation von KI fördern.
  • Vermehrt Begegnungsräume, Dritte Orte, Lern- und Experimentierräume schaffen. Dazu gibt es schon zahlreiche Beispiele wie den „Digitalen Bolzplatz“ in Ulm [1]  oder die Bibliothek in Aarhus als digitaler Erfahrungsraum. [2]
  • Unterstützung beim mittel- und langfristigen Kompetenzaufbau in Schule, Ausbildung, Fortbildung.

Dabei ist eine enge inhaltliche Verzahnung der mit den Institutionen der zentral verantworteten Arbeitsmarktpolitik notwendig.

[1] https://www.offene-werkstaetten.org/werkstatt/verschwoerhaus
[2] https://www.visitaarhus.de/aarhus/erkunden/dokk1-gdk1077504